
Kunst im Unternehmen: Corporate Spaces, die Identität tragen
Leitfaden für Corporate Art – Kuratierung, Rahmen, Licht & Installation
Noch bevor ein Wort fällt, erzählt ein Raum eine Geschichte. Farben, Materialien, Licht – und vor allem Kunst – übersetzen Werte in Atmosphäre. In Unternehmen wird Kunst so zum stillen Gegenüber: Sie schafft Orientierung, formt die Stimmung, stärkt Identität. Dieser Leitfaden zeigt, wie Kunst in Firmenräumen wirken kann – verständlich, praxisnah und übertragbar.
Der erste Eindruck: eine Minute, die alles färbt
Foyers und Lobbys sind Eröffnungsszenen. Hier überzeugt keine „Lautstärke“, sondern Haltung. Ein klares Statement-Piece oder eine konzentrierte Serie gibt Richtung, setzt den Ton und lädt zum Ankommen ein. Entscheidend ist die Lesbarkeit aus verschiedenen Blickachsen: vom Eingang, vom Tresen, aus der Sitzgruppe. Gute Setzungen bleiben im Gedächtnis, weil sie Ruhe mit Spannung verbinden – nicht Größe mit Überwältigung.
Gesprächsräume: Kunst, die zuhört
In Meetingräumen verändert Kunst das Gesprächsklima. Motive mit zu hartem Kontrast oder stark spiegelnde Oberflächen erzeugen Unruhe; leise, strukturierte Arbeiten stützen Konzentration und Vertrauen. Zeichnung, reduzierte Fotografie oder serielle Hängungen mit feinen Variationen geben Rhythmus. Gläser mit geringer Reflexion (z. B. entspiegeltes Museumsglas) erhöhen Präsenz, ohne zu dominieren. Auch die Farbtemperatur des Lichts und die Blickführung zum Bildschirm sind Teil der Komposition.
Korridore & Open Space: der Takt des Alltags
Flure sind nicht Restfläche, sondern Taktgeber. Serien in wiederkehrenden Formaten, leichte Variationen einer Farbskala und robuste Träger schaffen Orientierung, markieren Übergänge und geben Tempo. Wer täglich denselben Weg geht, „liest“ diese Sequenzen wie Noten – Refrains, Steigerungen, kleine Pausen vor Besprechungsräumen. Funktionale Aspekte wie Fluchtwege, Reinigung und Nutzungsfrequenz gehören selbstverständlich zur Planung.

Hospitality-Zonen: wo Menschen bleiben wollen
In Lounge-, Café- oder Gästebereichen zählt Nähe. Haptische Materialien (Leinen, Holzrahmen), wärmere Lichtstimmungen und behutsam gesetzte Skulpturen fördern Gespräch und Verweildauer.
Wichtig ist die Höhe: Kunst „auf Augenhöhe“ am Tisch stiftet Verbindung; zu hoch hängende Arbeiten schaffen Distanz. Figurativ-poetische Positionen können hier Erinnerungen verankern, ohne gefällig zu werden.
Rahmen, Licht, Proportion: die stillen Mitspieler
Das stärkste Werk verliert, wenn seine „Mitspieler“ nicht stimmen.
Proportion & Atem: Große Wand bedeutet nicht automatisch großes Format; entscheidend ist die Spannung zwischen Setzung und Leere.
Höhen & Linien: Eine klare Unterkante (häufig um 145 cm) beruhigt die Wand, gleichmäßige Abstände schaffen Ordnung.
Rahmen & Glas: Profil, Passepartout und Glasqualität sind Teil der Aussage, nicht Zubehör.
Lichtdramaturgie: Präzise Akzente heben, Überbeleuchtung blendet. Tageslicht, Spiegelungen und Schattenwürfe werden bewusst mitgedacht.
Auswahlwege: Original, Edition, Auftragswerk
Originale tragen oft die stärkste individuelle Handschrift und langfristige Präsenz.
Editionen ermöglichen serielle Konzepte und hohe Konsistenz – ideal für Flure oder Teamzonen.
Auftragswerke können Ort, Geschichte oder Materialität aufnehmen und so maximal passfähig werden.
Unabhängig vom Weg gilt: Transparent dokumentierte Provenienz, klare Editionsangaben und sauber formulierte Rechte (z. B. Reproduktionen in der Unternehmenskommunikation) sind Grundlage jeder seriösen Sammlungspraxis.
Zusammenarbeit mit Künstler:innen & Institutionen
Ein respektvoller Dialog beginnt mit einem präzisen Briefing: Welche Räume haben welche Aufgabe? Welche Tonalität soll spürbar werden (z. B. präzise – warm – progressiv)? Werkliste, Zustandsberichte, Zertifikate und Versicherungswerte gehören in die Mappe. Beschriftungen (Artist, Titel, Jahr, Technik) und eine kurze Geschichte pro Werk erhöhen die Zugänglichkeit – auch für Teams und Gäste, die Kunst zunächst „aus dem Bauch heraus“ erleben.
Ein möglicher Ablauf – pragmatisch und übertragbar
Ziele klären: Ankommen, Fokus, Dialog, Repräsentation – pro Zone maximal drei Ziele benennen.
Raum lesen: Maße, Blickachsen, Möblierung, Lichtquellen, Akustik; daraus ein Formatband und eine Farbtemperatur ableiten.
Kuratorischer Faden: Entscheidung für Statement-Piece oder Serie; Wiederholungen und Ruhepunkte definieren.
Materialentscheidungen: Rahmenprofil, Passepartout, Glasart; Oberflächen und Pflegeaufwand bedenken.
Hängeplan & Beschriftung: Unterkanten, Abstände, Linien – schriftlich fixieren; kurze, konsistente Labels vorbereiten.
Dokumentation & Pflege: Werk- und Versicherungslisten, einfache Pflegehinweise, Rechteverwaltung, Rotationsrhythmus.
(Die Punkte sind als Orientierung gedacht – sie lassen sich mit internen Teams, externen Werkstätten, Galerien oder direkt mit Künstler:innen umsetzen.)
Häufige Stolpersteine – und elegante Alternativen
Zu hoch gehängt: verliert Kontakt zum Gegenüber → Unterkante prüfen, Blickhöhe ernst nehmen.
Patchwork statt Linie: viele Einzelstimmen ohne Zusammenhang → Serien, Wiederholungen, klare Achsen.
Rahmen als Nachgedanke: technische Spiegelung, falsches Profil → Rahmen/Glas als Teil der Aussage planen.
Licht vergessen: kein Spot oder zu viel Blendung → gezielte Akzente, Reflexionen aktiv testen.
Trend statt Aufgabe: Modefarbe ≠ Markenklang → Raumfunktion und Identität priorisieren.

Nachhaltigkeit & Langfristigkeit
Sinnvoll ist, in langlebige Materialien, konservatorisch saubere Lösungen und möglichst kurze Transportwege zu investieren.
Dokumentation und Pflegekonzepte halten Sammlungen auditierbar und zukunftsfähig. Rotationsmodelle (z. B. jährliche Updates einzelner Positionen) halten Räume lebendig, ohne unruhig zu wirken.
Zwei Miniaturen – als Bild im Kopf
Ein wachsendes Tech-Unternehmen entscheidet sich in der Lobby für ein einziges, ruhig atmendes Statement-Piece, flankiert von zurückhaltenden Serien in den Fluren. Der Ton: klar, nicht kühl.
Eine Boutique-Kanzlei kombiniert präzise Zeichnungen im Empfang mit einem figurativen „Anker“ im Besprechungsraum – ein leiser menschlicher Gegenpol zur strengen Ordnung.
Räume, die sprechen – und zuhören
Gute Corporate-Art ist kein Dekor, sondern ein Gesprächsangebot. Sie macht Haltungen erfahrbar, stützt Zusammenarbeit und verankert Erinnerung.
Wer Räume so denkt, schafft Orte, die nicht nur funktionieren – sondern bleiben.